Mittwoch, 25. September 2013

Meine Mitbewohnerin, das halbe Brautkleid und Ich

Das, was so aussieht, wie die kopflose, tote Jungfrau,  ist ein Hochzeitskleid. War mal eins....


Manchmal wünschte ich, Kleider könnten sprechen und erzählen, was sie erlebten. In meinem Lieblingssecondhandladen, in den ich gern mit meiner Lieblings-ehemals-Mitbewohnerin gehe, um im Keller zu tanzen und Kleider, die wir uns nie kaufen würden und Kleider, die wir uns kaufen würden anzuprobieren, fand ich dieses Kleid. Sparte: Kleid, welches ich mir nie kaufen würde. Und dann zog ich es an um damit ein wenig zu stolzieren und der Rock schwang so schön. Flugs das Kleid in die andere Sparte geordnet und es mitgenommen, fand ich mich schon in meinem Bett sitzend wieder, das halbe Kleid auftrennend. Dabei fiel mir der Zickzackstich auf, mit dem die Kanten versäubert sind und die kleinen, unregelmäßigen Handstiche, mit denen die Häkelbordüre angenäht ist. Irgendjemand hat sich zu irgendeinem Zeitpunkt hingesetzt und dieses Kleid in mühevollster Kleinstarbeit für eine Hochzeit einer zierlichen Braut, mit entweder langen Beinen oder hohen Schuhen genäht. Und nun saß ich da, um dieses zierliche Oberteil für eine weniger zierliche Person in mühevollster Kleinstarbeit wieder abzutrennen und dem Kleid, zukünftig Rock, das ein, vielleicht zweimal getragen wurde, dann wahrscheinlich jahrelang in einem Schrank hing, bis es in diesem Second Hand Shop landete, ein Second Leben zu geben.



Eigenanteil: Oberteil abtrennen, neuer Reißverschluss hinten rein, druckknöpfe an die Häkelbordüre um diese über den Reißverschluss knöpfen zu können, Schrägband an die Kante.



Diese wunderbaren Fotos hat übrigens meine Lieblingsfotografin und besagte beste ehemalige Mitbewohnerin über den Dächern Hamburgs gemacht. Diese großartige, talentierte Frau, schießt eigentlich am liebsten Schwarz-Weiß-Portraits, mit Menschen, die ernst gucken. Aber ich hätte mir keine bessere Ganzkörperbuntfotografin vorstellen können, die schönere lachende Fotos von mir und meinem halben Brautkleid gemacht hätte. Sie hat auch einen Blog,zu dem geht es hier lang.


Und um den Anlass des heutigen 0,5-Brautkleidshowings nicht zu vergessen: Hier geht es zu den anderen Selbermachmädels am heutigen Me Made Mittwoch.

Sonntag, 22. September 2013

Smartphonitis

Das Smartphone. Der neuste Virus, unbemerkt von 90% der Menschheit. Untergräbt das System von innen. Raubt Augen, Aufmerksamkeit, Verstand. Rebell, sprengt ganze Partys. Wo früher getanzt wurde, sitzt man heute in der Ecke und liked den Post von seinem Nebenmann. Die Party steigt virtuell.
Anna: „Voll tighte Party bei Klausbernd“ mit Hannah, Lisa, Tobias, Klausbernd und Murat hier: Klausbernds Wohnzimmer. 6 Leuten Gefällt das. 4 Kommentare: Anna: Julian ist auch dabei. Lisa: Haha, Tobi und Julian gehen voll ab“ Tobias: Yolo! (4 Leuten gefällt das) Hannah: Warum ist Julian nicht markiert? Anna: Julian hat kein Facebook xD Klausbernd: …und ein Nokia 3510i :D Murat: o.O (2 Leuten gefällt das)
Somit steht Julian zwar körperlich und geistig mitten im Leben, tanzt sich wahrscheinlich einen Wolf in Klausbernds Wohnzimmer, aber zu der wirklichen Party, fehlt ihm die Eintrittskarte in Form eines betouchscreenten Mobiltelefons, welches einem die Pforten zu Welt Nummer 2 öffnet, die häufig schon Welt Nummer 1 von ihrem Platz vertrieben hat. Sicher, sein Telefon kann telefonieren, Sms versenden und aus dem 18ten Stock eines Wolkenkratzers auf Stahlbeton fallen ohne sich auch nur einen Kratzer zu holen, aber das ist in Annas tightem Partyposting nur ein müder xD-Smiley wert.
Es geht doch nichts über ein Handy, was sich beim draufsetzen sofort die sogenannte Spiderman-App holt, was man stündlich aufladen muss, was minütlich pfeift, weil irgendwelche Whattsapp nachrichten angekommen sind und sich auch sonst seine Aufmerksamkeit einholt. Tamagotchi 2.0. Und es wird jeden kriegen. Noch ärgert jeder, der bei klarem Verstand ist, sich über die immer mehr werdenden Smartphonezombies, die sich aus dem Gespräch ausklinken weil irgendwas vibriert, gedüdelt oder eventuell geblinkt hat, die einen wilden Blick bekommen, sobald keine Steckdose in greifbarer Reichweite ist, die 3 Stunden auf Festivals anstehen, um ihrem Mobiltelefon das zu geben was es will: Saft. Und Aufmerksamkeit. Aber sobald man einmal die vorzüge eines Smartphones genossen hat „Endlich kann ich von unterwegs aus meine Bahnverbindung googlen und muss nicht mehr auf den Plan gucken“ will man sie nicht mehr missen.
Zombiewalk hat bald nicht mehr Flashmob- sondern Alltagscharakter.
Apocalypse now!

Gesehen in Ottensen